Kerne – von den Bausteinen der Materie zur Entstehung der Elemente

Eine möglichste exakte Kenntnis der Eigenschaften von Atomkernen ist für die physikalische Grundlagenforschung von großer Bedeutung. Kürzlich gelangen am MPIK die weltweit genauesten Messungen der atomaren Massen des Elektrons und des Protons, also des einfachsten Atomkerns, mittels Massenspektrometrie in Penningfallen. Die Masse des Protons erwies sich als kleiner als der bisher akzeptierte Wert. Dies trägt dazu bei, Unstimmigkeiten bei den Massen leichter Kerne zu verstehen.

Die chemische Zusammensetzung unseres Universums weist überraschende Besonderheiten auf: Die Sonne besteht hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium; Eisen ist auf der Erde viel häufiger als schwere Elemente wie Gold. Die Nukleosynthese durch Fusions- und Einfangprozesse folgt Reaktionswegen, die teils noch unverstanden sind. Während Kernfusion bis zum Eisen führt, entstehen schwerere Elemente durch Einfang von Protonen oder Neutronen unter extremen Bedingungen wie in Supernovaexplosionen oder in Akkretionsscheiben um Schwarze Löcher oder Neutronensterne.

Basierend auf Einsteins Prinzip der Masse-Energie-Äquivalenz kann man mittels hochpräziser Massenmessungen Bindungsenergien von Nukliden bestimmen, die für Reaktionswege der Nukleosynthese entscheidend sind. Massenbestimmungen dieser meist kurzlebigen exotischen, (z. B. neutronenreichen) Kerne dienen der Erkundung der „Terra incognita“ der Nuklidkarte. Dies hilft herauszufinden, wie viele Nuklide es insgesamt gibt. Wissenschaftler des MPIK erforschen die Struktur von Kernen fernab der Stabilität in Kombination mit theoretischen Modellen.


Ionenfallen

Durch die Überlagerung elektrischer und magnetischer Felder in extremem Vakuum gelingt es, Ionen in Fallen zu fangen. In einer Penningfalle lässt sich ein einzelnes Ion speichern, das darin eine charakteristische oszillierende Kreisbewegung ausführt. Ionenmasse und weitere Eigenschaften wie das magnetische Moment des gebundenen Elektrons in hochgeladenen Ionen folgen aus der Umlauffrequenz, sofern Ladungszustand und Magnetfeldstärke bekannt sind, selbst bei nur Millisekunden lebenden exotischen Teilchen. Penningfallen-Massenspektrometer sind am MPIK und extern im Einsatz, z. B. bei der GSI und am CERN, wo exotische Nuklide oder Antiprotonen zur Verfügung stehen.

In einer Elektronenstrahl-Ionenfalle (EBIT) werden durch Beschuss mit energiereichen Elektronen hochgeladene Ionen (HCIs) erzeugt, eingefangen und elektronisch auf mehrere Millionen Grad aufgeheizt, also atomare Materie unter extremen Bedingungen produziert. Präzise spektroskopische Instrumente dienen dazu, diese zu untersuchen. Sowohl stationäre als auch mobile EBITs stehen dafür zur Verfügung. Die Entwicklung von EBITs gipfelt u. a. in der Tip-EBIT am PENTATRAP-Experiment, die Laser-Desorption und anschließende Ionisation kombiniert. Das erweitert den Bereich verfügbarer HCIs auf seltene Isotope, die nur in winzigen Mengen synthetisiert werden. MPIK-Wissenschaftler haben in Kooperation mit der Universität Aarhus eine neue kryogene Ionenfalle (Cryogenic Paul Trap Experiment: CryPTEx) aufgebaut, in der es möglich ist, durch Laserkühlung Ionenkristalle zu erzeugen und darin hochgeladene Ionen zu kühlen.

Hochgeladene Ionen – Materie unter extremen Bedingungen

Hochgeladene Ionen (HCIs) finden sich in mehr als eine Million Grad heißen Umgebungen wie Atmosphären und Kernen von Sternen, Supernovaüberresten, Akkretionsscheiben um Neutronensterne oder Schwarze Löcher. Man geht davon aus, dass die meiste sichtbare Materie im Universum hoch ionisiert ist. Die Analyse des beobachteten Lichts (sichtbar, UV, Röntgen) von diesen Ionen erfordert theoretische Unterstützung durch Strukturberechnungen, die jedoch oft nicht genau genug sind, um z. B. die Temperatur des heißen Mediums zu bestimmen. Hochpräzisions-Spektroskopie an kontrolliert erzeugten hochgeladenen Ionen in einer EBIT liefert direkte experimentelle Informationen. Ein Beispiel ist die Untersuchung der Röntgenabsorption von hochgeladenen Eisen-Ionen am Synchrotron PETRA III (DESY), die wichtige neue Erkenntnisse für den Strahlungstransport in Sternen lieferte.

Die kryogene Ionenfalle CryPTEx erlaubt die effiziente Kühlung gefangener hochgeladener Ionen für hochpräzise Laserspektroskopie. Gemeinsam mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (Braunschweig) trägt das MPIK zur Entwicklung neuer optischer Uhren mittels Quantenlogik-Spektroskopie bei und hat einen Frequenzkamm für UV- und fernes UV-Licht gebaut. Das Fernziel ist ein Test der Zeitabhängigkeit von Naturkonstanten.

Zu den ersten Ergebnissen des PENTATRAP-Experiments gehörte kürzlich die erstmalige Entdeckung langlebiger metastabiler angeregter Zustände in hochgeladenen Schwermetall-Ionen. Diese Technik könnte die Methode der Wahl werden, um für HCI-Uhren geeignete metastabile Elektronenkonfigurationen zu suchen. Das ebenfalls neue ALPHATRAP-Experiment ermöglicht die Messung der magnetischen Eigenschaften (Grundzustands-g-Faktor) hochgeladener Ionen mit relativen Unsicherheiten im Bereich von 10–9. Die ersten Ergebnisse stimmen hervorragend mit neuesten QED-Berechnungen überein.